Weg Wegrandbemerkungen

Grenzen, Marksteine und ihre Verzeugung

Landesgrenzstein
Landesgrenzstein am Alten Postweg von der württembergischen Seite (eingemeißeltes "W"). Der Stein dürfte bei der Festlegung der Landesgrenze im Jahr 1905 gesetzt worden sein.
Der große weithin sichtbare Landesgrenzstein zwischen Baden-Württemberg und Bayern am Alten Postweg an der Nordostecke des Lettenwaldes gibt Anlass zu einigen Anmerkungen zur Geschichte der Grenzen und deren Sicherung durch Marksteinzeugen.

Schon die Tiere haben ihre eigenen Methoden zur Kennzeichnung ihrer Reviere. Vögel grenzen ihre Territorien durch ihren Gesang ab. Säugetiere verwenden das etwas anrüchige Verfahren der Duftmarkierung. Aus naheliegenden Gründen hat der Mensch keines dieser Verfahren übernommen, obwohl der Zweck bei der Markierung der Grenzen derselbe ist: Eindringlinge sollen abgehalten, Ärger und Streit vermieden werden. Im menschlichen Bereich sind die Probleme und Möglichkeiten aber vielfältiger und komplizierter.

Bis ins Mittelalter genügten als Abgrenzung des Grundeigentums natürliche Grenzen, wie z.B. Gebirgskämme, Bäche, Hecken, Waldränder und dergleichen. Bald entstand aber das Bedürfnis nach künstlichen Grenzzeichen, zunächst als Grenzpfähle, später Grenzsteinen und heute oft in Form von Metallbolzen und Kunststoffgrenzmarken. Da es früher keine Vermessungen gab, war es üblich, die Grenzen zu umgehen oder zu umreiten, wobei die Grenzen und Grenzzeichen allen Dorfbewohnern vor Augen geführt wurden. Lange Zeit genügte bei der dünnen Besiedlung diese Genauigkeit.

Weil es auf Dauer unpraktisch war, das ganze Dorf bei der Grenzfestlegung zu beteiligen, bestellte man einige kundige Männer, die für die Gemeinschaft handelten, die so genannten "Untergänger". Sie bildeten das "Untergangsgericht" mit der Entscheidungsbefugnis in Grenzangelegenheiten. Eine Grenzstreitigkeit wurde direkt an der strittigen Grenze verhandelt und durch das Setzen des Grenzsteins entschieden.

Zeugen
Zeugen unter einem Landesgrenzstein zwischen Bayern und Württemberg aus dem Jahr 1868. Unter dem oben abgebildeten Grenzstein befinden sich möglicherweise ähnliche Zeugen.
Um zu beweisen, dass es sich um einen Grenzstein und nicht um einen gewöhnlichen Feldstein handelt, wurden "Zeugen" unter den Grenzstein gelegt, die seine Echtheit an genau dieser Stelle bezeugen konnten. Es handelte sich dabei um unverwesliche Gegenstände wie Kohle, Glas, Tonscherben und dergleichen. Jedes Untergangsgericht hatte seine eigenen Methoden zur Verzeugung der Grenzsteine. Das Verfahren sowie die Art der Zeugen wurden dabei streng geheim gehalten. Später wurden die Zeugen eigens angefertigt und trugen z.B. den Anfangsbuchstaben der Gemeinde oder das Gemeindewappen.

Nach der württembergischen Landesvermessung (1818 - 1840) gab es zum ersten Mal für jeden Grenzpunkt eine katastertechnische Festlegung. Trotzdem wurde erst 1895 bestimmt, dass im Zweifel die Maßzahlen der Vermessung und nicht der Zeuge den richtigen Grenzpunkt kennzeichnet. In alter Tradition wurden vereinzelt die Grenzpunkte noch bis zum 2. Weltkrieg verzeugt, obwohl eigentlich kein Bedürfnis mehr danach bestand. Heute liegen die Grenzpunkte häufig mit cm - Genauigkeit fest und können auch mit dieser Genauigkeit wieder hergestellt werden. Wo dies noch nicht der Fall ist, können Zeugen auch heute noch wertvolle Hinweise auf den richtigen Grenzverlauf geben. Genauso wie es verboten ist, einen Grenzstein zu entfernen, ist es auch nicht erlaubt, Marksteinzeugen auszugraben.

Zeugen der Gemarkung Jungingen
Zeugen der Gemarkung Jungingen: Rechts unten Zeuge mit Engobe-Beschriftung (ca. 1860), links glasiertes und unglasiertes Dreieck mit den Buchstaben MJ (Markung Jungingen, ca 1880), unten Mitte runder Zeuge (ca. 1910) und viereckiger Zeuge mit Wappen (ca 1930), der nicht mehr als Zeuge verwendet wurde.
Zeugen der Gemarkung Ulm
Zeugen der Gemarkung Ulm: Grün glasiertes Dreieck mit Stadtwappen (ca. 1880). Daneben verschiedene so genannte "Ulmer Rüben", die unter den Grenzstein gesteckt wurden (ca. 1920).